Irreversible – The Straight Cut – Kritik zum Skandalfilm 2020

Wie geht man an einen Film wie Irreversible heran? Einen Film wie Irreversible gibt es nicht oft. Hier prallen Ethik, Geschmack und Kunst derart brutal aufeinander, dass man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. 18 Jahre nach dem Erscheinen des Originals veröffentlichte Regisseur 2020 seinen Straight Cut – wir klären im Kritikteil, was es damit auf sich hat. Zunächst möchten wir jedoch eine wichtige Warnung aussprechen, die den Film selbst betrifft: In Irreversible wird eine Vergewaltigung thematisiert und sehr eindringlich gezeigt. Das ist nicht leicht anzusehen und könnte auf die meisten Zuschauer sehr verstörend wirken. Schaut Irreversible also bitte nur, wenn ihr meint, euch so etwas zumuten zu können – ernsthaft!

Die Story von Irreversible – The Straight Cut

Die Handlung von Irreversible – The Straight Cut beginnt eigentlich ganz ruhig und harmonisch. Wir beobachten das Paar Alex und Marcus, wie es im Bett liegt. Die beiden planen, mit Alex’ Ex-Partner Pierre auf eine Party zu gehen. Das Trio macht sich also auf den Weg und diskutiert mehrere Minuten lang über weibliche Orgasmen, Sex und Zwischenmenschlichkeit. Wir werden Zeugen der Party und wie Alex eben diese verlässt. Nun folgt der Schockmoment des Films – Alex wird vergewaltigt. Die letzten 40 Minuten des Filmes folgen wir Marcus und Pierre dabei, wie sie den Täter suchen und schließlich Rache üben.

Unsere Kritik zu Irreversible – The Straight Cut

Irreversible erschien bereits 2002 und sorgte damals für große Wellen. Damit wir alle auf einem Stand sind, müssen wir kurz noch etwas zu Irreversible erklären, was den Film bis heute außergewöhnlich macht. Der originale Film läuft rückwärts ab, beginnt also mit dem Ende der Geschichte und endet mit dem Anfang. Das bedeutet nun natürlich nicht, dass alle Dialoge rückwärts ablaufen und die Gespräche so völlig unverständlich daherkommen. Vielmehr ist die Reihenfolge der einzelnen Szenen umgekehrt, wodurch der Film direkt mit einem extrem brutalen Mord begann. Der Straight Cut bringt die Szenen nun wieder in die richtige Reihenfolge, wodurch wir keinen umgekehrten Spannungsbogen erleben, bei dem der Höhepunkt bereits am Anfang stattfindet. Ist das sinnvoll? Wir gehen der Frage auf den Grund.

Original vs. Neu

Für diese Kritik haben wir uns beide Filmversionen angesehen und wollen nun einmal die Vor- und Nachteile der umgekehrten Handlung angehen. Irreversible muss und sollte als Gesamtkunstwerk gesehen werden, bei dem alle Komponenten ineinander greifen. Während andere Filme eine Handlung erzählen, die von A nach B führt, geht dieser Film weitaus umfassender ans Werk. Das beginnt bei den gezeigten Szenen, schlägt sich aber auch auf die Aufmachung nieder. In der Originalfassung ist es so, dass die Kameraführung und der Sound anfangs extrem gestresst und hektisch wirken. Szenenwechsel finden statt, indem die Kamera um 360 Grad gedreht wird und wir plötzlich in einer neuen Szenerie stehen. Im neuen Straight Cut ist es umgekehrt. Anfangs sind die Bilder ruhig, die Kamera wackelt nicht und Musik ist maximal im Hintergrund zu hören. Im Laufe der Handlung wird alles hektischer und gipfelt im brutalen, grausamen Mord des Vergewaltigers in einem Schwulenclub.

Was ist besser?

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Beim Anschauen der Filme hatten wir das Gefühl, dass die neue Straight-Cut-Version einfacher zu verfolgen ist und eher noch an einen klassischen Kinofilm erinnert. Die originale Fassung erfordert eine höhere Aufmerksamkeit vom Zuschauer, da man stets bedenken muss, dass wir uns in der Zeit quasi rückwärts bewegen. Zudem wartet der Film in der 2002er-Version mit einem Twist am Ende auf, der das gezeigte Verbrechen noch einmal abscheulicher macht. Dieser Twist erfolgt in der neuen Version logischerweise schon am Anfang. Die spätere Tat wird dadurch nicht weniger grausam, der Tritt in die Magengrube des Zuschauers fällt aber bedeutend leichter aus. Welche Version nun besser ist, können wir nicht final bestimmen – wir tendieren jedoch zur Orginalfassung, da die rückwärts erzählte Geschichte aus einer filmtechnischen Sicht weitaus spannender ist.

Der Film an sich

Nachdem wir nun über die Form des Filmes philosophiert haben, widmen wir uns nun dem Inhalt. Und ja, der Film ist 18 Jahre alt und abgesehen davon, dass sich die Schnittfassung geändert hat, bleibt der gezeigte Inhalt gleich. Trotzdem ist Irreversible auch heute noch ein Film, über den man sprechen muss und bei dem man unter Umständen auch warnen muss. Irreversible kann ein zuweilen anstrengender Film sein, wenn man sonst nur den üblichen Hollywood-Output gewöhnt ist. Minutenlange Gespräche über Orgasmen, Szenen in denen nur die Bilder sprechen –  das kennen wir von Marvel und Co. nicht. Bei Irreversible ist es ein großer Teil des Filmes. Dazu gehört aber auch, dass die Vergewaltigung in der Mitte des Filmes komplett ungefiltert gezeigt wird. Die Kamera hält drauf, fünf, sechs, sieben quälende Minuten vergehen und der Magen der Zuschauer dreht sich um. Wen das hier gezeigte kalt lässt,…

Ein Tritt in den Magen

Die gezeigte Vergewaltigung tut weh. Wenn dann der Vergewaltiger am Ende zur Unkenntlichkeit verprügelt wird, ertappt man sich dabei, dass man froh ist – froh über einen grausamen Mord. Hier schlägt Irreversible voll zu: Wenn es ein Film schafft, dass wir uns über derartige Grausamkeiten, einen Tod, freuen, hat er irgendetwas richtig gemacht. Wir möchten noch einmal eine deutliche Warnung aussprechen: Das hier ist kein Film für Kinder oder Jugendliche. Irreversible ist auch kein Film für den normalen Gelegenheitsfilmgucker. Auch 18 Jahre nach seinem Erscheinen ist dieser Streifen hart anzusehen, da ist es auch im Endeffekt egal, ob die Handlung vorwärts oder rückwärts läuft. Irreversible ist ein Stück Filmkunst, was aber vor allem mit der einzigartigen Machart der Originalfassung zu tun hat. Muss man so einen Film gesehen haben? Nein, definitiv nicht. Dennoch ist Irreversible auf seine ganz eigene Art und Weise ein Stück Filmgeschichte – vor allem im Originalcut aus dem Jahr 2002.

Informationen zu Irreversible – The Straight Cut

  • Originaltitel: Irréversible – Inversion Intégrale
  • Laufzeit: ca. 86 Minuten
  • Heimkinostart: 10. Dezember 2020
  • Altersfreigabe (FSK): ab 18 Jahren freigegeben
  • Besetzung: Monica Bellucci, Vincent Cassel, Albert Dupontel

Extras auf der Blu-ray:

  • Trailer, Featurette zu den Hintergründen der neuen Version

Trailer zu Irreversible – The Straight Cut




Fazit:

Brutale Szenen - nichts für schwache Nerven
Neu im Straight Cut
Filmgeschichte, die hart zum anschauen ist
Triggerwarnung für sexualisierte Gewalt
  • Irreversible
    “Selten fiel mir die Kritik zu einem Film so schwer. Zwischen dem Anschauen der beiden Teile lagen nur Stunden und bis zum Schreiben dieser Kritik verging einige Zeit. Kann ich einen Streifen wie Irreversible empfehlen? Eigentlich nicht. Das was hier gezeigt wird, hat nichts mit der Brutalität von Saw oder Rambo zu tun – das hier wirkt einfach realistisch und meiner Meinung nach zu eindringlich. Aus Sicht eines Fans für das Medium Film ist Irreversible aber doch irgendwie interessant. Hier muss jeder für sich entscheiden, ob er sich den Film zutraut.”
    Lukas Hesselmann, Redakteur

Ab in die Filmsammlung?

Entscheidet selbst, ob ihr für Irreversible bereit seid – auch 18 Jahre nach dem Erscheinen. Solltet ihr Zweifel haben, lasst es. Ernsthaft.

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